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Night of the Proms 2011, Antwerpen

Erstellt von Daniel Mohr am Sonntag 6. November 2011

Endlich war es wieder soweit: die Night of the proms stand an!
Nachdem wir im letzten Jahr irgendwie nicht hingefahren sind (lange gezögert und Programm einfach zu schlecht…..), war die Vorfreude dieses Jahr umso größer.
Und da auch endlich nochmal alle ab Samstag Mittag Zeit hatten und das Wetter auch gut werden sollte, sind wir auch extra früh los gefahren.

So sind wir erstmal ein paar Stunden durch die herrliche Altstadt von Antwerpen geschlendert, die ich wirklich jedem nur empfehlen kann. Dort kann man sich sicherlich auch einige Tage aufhalten, es gibt soviele kleine Läden, Geschäfte, schöne Ecken,etc. dass es sich sicherlich lohnt, auch mal einen längeren Aufenthalt einzuplanen.

Nicht wirklich empfehlen können wir die Pizzeria del Sud an der Kathedrale: die Pizza ging, aber die Nudeln waren unterirdisch. Und dreist war die Tomate (eine Tomate) mit Mozarella (in die eingeschnittene Tomate) für 8,40 EUR.

Am Rückweg zum Auto wurde daher an dieser leckeren Bäckerei gehalten, um noch ein wenig Süßspeisen zu erwerben. Anschließend ging es dann auch auf (fast) direktem Weg zur Halle. Hierbei fasziniert mich immer, dass der Verkehr um die Halle super geregelt ist, direkte Zufahrt zum Parkplatz, alles ruhig und organisiert und nicht so ein Chaos wie an den meisten deutschen Hallen.

So waren wir dann auch schon kurz nach 19 Uhr in der Halle. In diesem Jahr gab es ja erstmals ein richtiges Vorprogramm, das belgische DJ-Duo „Discobaar a moeder“ legte Platten (ja, wirklich, Platten) auf und brachte die Halle nach und nach in Stimmung. Ich kann gut nachvollziehen, dass sie in Belgien sehr bekannt und beliebt sind, für uns war es etwas schade, dass wir die Sprüche meist nicht verstanden haben.
Trotzdem fand ich es sehr gut, das die Halle vorher schonmal ein wenig auf Touren gebracht wurde, sehr viel angenehmer, als einfach nur eine Stunde auf den Beginn zu warten.
Pünktlich um 20.30 Uhr legten Discobaar a moeder dann „I will survive“ auf, und ab der Bridge stieg dann Il Novecento mit ein: ein sehr schöner fließender Übergang und Beginn der Show. Patrick de Smet kam direkt nach vorne und testete, ob das Publikum seinen Einsatz noch kann („Hey!“, klappt gut wie jedes Jahr und zu beliebigem Lied). Nach kurzer Begrüßung durch Carl Huybrechts ging es dann erstmal klassisch los. Unmittelbar danach durfte John Miles schon das erste Mal ran: mit „Valerie“ huldigte er Amy Winehouse. Das Stück passt ganz gut zu ihm, und auch die Halle kam langsam in Bewegung.

Leider wurde die Bewegung zügig wieder gestoppt durch den Auftritt der Div4s. Diese boten ein Opern-Medley dar, leider war der Ton so laut, dass es stellenweise einfach nur in den Ohren weh tat. Der Gesang sicherlich nicht schlecht, aber die Stimmung war sofort wieder am Boden.

Zum Glück gibt es ja in Belgien den Überraschungsgast. Der ist für uns Deutsche immer noch eine doppelte Überraschung, weil in der Regel völlig unbekannt. Es wird jemand angesagt, die Halle flippt mehr oder weniger aus, und unsereins lässt sich überraschen, was kommt.
Dieses Jahr hat es uns sehr gut getroffen: Koen Buyse, Frontsänger der Band Zornik, brachte die Halle direkt wieder auf Touren. Das erste Stück „4 million minutes“ eine sehr schöne Powerballade (wobei ich die meiste Zeit damit verbracht habe, in den Zahlenkolonnen auf der Videowand ein Muster zu erkennen), bei „Scared of yourself“ ging es dann ab Refrain richtig rockig zur Sache. Insgesamt sehr gut, Zornik werde ich sicherlich mal genauer in Augenschein nehmen.

Danach kam dann der Teil, der mir am allerwenigsten gefallen hat: diverse Filmmusiken, zwischenzeitlich angekündigt durch (sehr langatmige) Videoeinspieler, die wohl lustig sein sollten. Auch wenn hier wieder das Sprachproblem auftritt: die Belgier fanden es offensichtlich auch nicht lustig.
Erst als als letzes Lied „Kiss from a rose“ gespielt wurde, und Seal die Bühne betrat, war wieder Stimmung im Saal. Ab der Bridge wurde Seal von den Div4s „unterstützt“: eigentlich wurde eher der Song ruiniert. Der schöne mehrstimmige Chorsatz kam so schrill und laut daher, das zum einen von Seal nichts mehr zu hören war, zum anderen die Hände wieder zum Ohren zuhalten gebraucht wurden.
Anschließend duften die Div4s direkt noch ein Lied singen, hier wurde endlich mal der Ton besser, allerdings riss „The prayer“ niemanden wirklich vom Hocker.
Das tat aber dann dafür der anschließende Programmpunkt: nach kurzem Intro lieferten sich Discobaar a moeder und Il Novecento eine „Battle“ auf allerhöchstem musikalischem Niveau. Beschreiben kann man das gar nicht, ich empfehle die Videos (1,2), auch wenn die Qualität natürlich nicht besonders gut ist. Der Höhepunkt war auf jeden Fall die Mischung aus „Insomnia“ von Faithless und der „Ouvertüre 1812“.

Angie Stone traf daher auf eine begeisterte Halle und hatte es auch relativ einfach, die Leute zum Mitmachen zu bewegen. Nach ihrem wohl größten Hit „Wish I didn´t miss you“ (in Deutschland ist sie ja auch relativ unbekannt, sieht wohl in Belgien anders aus) stimmte sie dann „Holding back the years“ an, wo Mick Hucknall dann ab der zweiten Strophe übernehmen durfe. Fand ich persönlich eine sehr gelungene Nummer, zumal ich immer der Meinung bin, dass man die Möglichkeiten, die die Proms bieten (z.B. verschiedene Künstler gemeinsam auftreten lassen) auch nutzen sollte und nicht einzelne Acts aneinander reihen.

„Fairground“ hatte einen etwas langsamen Beginn, aber ab dem zweiten Refrain war dann die Percussion-Abteilung nicht mehr zurück zu halten und es herrschte Partystimmung. Mit dem anschließenden „Something got me started“ (incl. John Miles im Backgroundgesang) ging es dann in die Pause.

Der zweite Teil begann auch wieder gigantisch: mit der „König der Löwen“ Suite wurde ein großes Stück arrangiert, incl. der beiden „Single-Auskopplungen“ „Circle of life“ und „Can you feel the love tonight“.
Direkt anschließend kam dann wieder Angie Stone mit zwei weiteren Nummern auf die Bühne.
Nun der Auftritt von Patrick de Smet: zusammen mit zwei Gästen vorne auf der Bühne gab es den „Typewriter“. Ein wenig Schade war, dass die Gäste an diesem Abend a) völlig unmusikalisch waren und b) wohl noch niemals den Typewriter gehört hatten. Es stimmte ungefähr kein einziger Einsatz 🙂
Trotzdem natürlich eine sehr lustige Nummer, welche dem Publikum auch einiges zu Lachen bot (allein das zwischendurch verzweifelnde Gesicht von Patrick).
Fine Fleur zeigte dann beeindruckend, was sie drauf haben: mit der A Capella Version von „Rolling in the deep“ rockten sie den Saal. Auch wenn der Chor Jahr für Jahr mehr abgespeckt wird, ist die Stimmkraft immer noch vorhanden. Direkt im Anschluß gab es dann den Proms-Klassiker „Music“, der allerdings dieses Jahr sehr routiniert rüber kam. Oder ich hab es einfach schon zu oft gesehen, keine Ahnung.
Danach hatten die Div4s ihren dritten Auftritt, diesmal vorne auf dem Steg, mit „Time to say goodbye“. Damit wurde es mir persönlich entgültig zuviel „Gejammer“, ich hätte hier „Orinoco Flow“ wesentlich passender gefunden. Naja, man kann nicht alles haben 🙂
Der Applaus war noch nicht verklungen, da stimmte Mick Hucknall mit „Stars“ dann den nächsten Hit an. Hier sang das Publikum dann zumindest stellenweise auch mal lauthals mit. Danach gab es mit „If you don´t know me by now“ einen der ruhigeren Simply Red Hits. Da auch Seal dieses Stück 2008 veröffentlicht hat, dachte ich kurzzeitig, dass es auch hier zum Duett kommt, aber dem war dann leider nicht so. Hätte aber auch den anschließenden Auftritt und das Intro von „Papa was a rolling stone/Killer“ nicht so wirkungsvoll erscheinen lassen.

Denn nun kam der Topact des Abends: nach langem Intro erschien Seal auf der Bühne, um zunächst mit der ersten Strophe von „Papa was a rolling stone“ das Publikum etwas anzuwärmen, und dann bei „Killer“ förmlich die Halle zu zerlegen.
Vor dem Auftritt war unklar, wieso Seal so eindeutig als Hauptact in Belgien angekündigt war (immerhin haben Simply Red 2,5fach soviel Platten verkauft), danach waren die Fronten geklärt: die Performance und Power, die Seal auf der Bühne rüber bringt, sind so mitreissend, dass ich in der Künstlerliste der letzten 8 Jahren überhaupt niemanden ausfindig machen kann, der Seal die Topposition bei einer NOTP streitig machen könnte. Auch beim anschließenden „Amazing“ und „Crazy“ nutze er die gesamte Bühne und den gesamten Steg, um mit den Fans in Kontakt zu kommen (zwischenzeitlich im wahrsten Sinne des Wortes).

Anschließend kammen alle Künstler dann zum großen Finale auf die Bühne. Nicht ganz alle: Discobaar a moeder wurden nicht aufgerufen, was ich persönlich nicht nachvollziehen kann, weil sie doch bedeutender Teil des Abends waren.
Zusammen gab es dann „Hey Jude“, und hier zeigten dann auch die Div4s, dass sie durchaus „zeitgenössische Musik“ singen können. Ebenso zeigten die Tontechniker, dass sie ihren Gesang ohne schrille Obertöne mischen können.
Erst vor der Halle fiel den meisten auf, das „Land of hope and glory“ fehlte, es wurde dann von einzelnen Gruppen auf dem Weg zum Parkplatz angestimmt.

Fazit: die wohl beste Night of the proms seid 2005 (zumindest in Belgien, Deutschland 2008 könnte aufgrund der Hitdichte ran kommen).
Durch die Bank Künstler auf höchstem Niveau, die auch noch singen können (keine abgehalfterten Stars, ich hab die Aufnahmen von Boy George gesehen, das war ja grausig…..).
Insgesamt viele Hits, auch wenn die Klassik dieses Jahr sehr kurz gekommen ist (ein Teil war halt in die Filmmusiken verpackt) denke ich, dass man das breite Publikum so eher begeistern kann.
Discobaar a moeder: sehr gut, netter Einstieg, die Battle gehört eindeutig zu den Top Five Proms-Nummern.
Diese Kombination aus Klassik und Moderne macht ja eigentlich die Proms aus, etwas in dieser Richtung müsste jedes Jahr auf dem Programm stehen. Leider wird Deutschland wohl nicht in den Genuss der Battle kommen fürchte ich.
Div4s: technisch gut, Tontechnisch leider nicht ganz so gut, und ich hätte mir Orinoco Flow gewünscht
John Miles: zieht sich weiterhin immer mehr zurück, Bandleader der Electric Band ist er schon nicht mehr, nur noch für seine 3 Nummern auf der Bühne: aber die macht er halt meistens gut!
Koen Buyse: Überraschung! Ich urteile da immer ungern, aber die beiden Stücke fand ich gut, und insbesondere der rockige Teil von „Scared of yourself“ hat dem Abend gut getan.
Angie Stone: netter Soul, gut gesungen, Stücke mir halt leider unbekannt, aber auch gut!
Mick Hucknall: wäre wohl in mindestens 4 der letzten 5 Jahre Topact gewesen (2009 Roxette, da wohl nicht), Pech, das Seal für dieses Jahr verpflichtet war. Darf in Holland dann James Blunt zeigen, wie man Topact wird, dafür kommt er leider nicht nach Deutschland.
Seal: unbeschreiblich! Da es ja schon Aufnahmen aus Holland gab, war klar, das die Show gut würde, aber die Power hat mich dann doch überrascht und mitgerissen. Das ist Performance!

Setlist:

Discobaar a moeder – ab 19.25 Uhr Disco-Set
Discobaar a moeder / Il Novecento – I will survive
Il Novecento – Leichte Kavallerie
John Miles – Valerie
Div4s – Medley
Koen Buyse – 4 million minutes
Koen Buyse – Scared of yourself
Filmmusik-Block:
Il Novecento & Fine Fleur – Requiem in d-Moll (Mozart)
Il Novecento & Div4s – Sull’aria (Mozart)
Il Novecento – 7. Sinfonie – 2. Satz (Beethoven)
Seal & Div4s – Kiss from a rose
Div4s – The prayer
Il Novecento – Carmina Burana (Orff)
Il Novecento & Discobaar a Moeder – DJ Battle
Angie Stone – Wish I didn’t miss you
Angie Stone / Mick Hucknall – Holding back the years
Mick Hucknall – Fairground
Mick Hucknall – Something got me started

Il Novecento – König der Löwen Suite:
Liv Van Aelst – Circle of life
Il Novecento – Suite
John Miles – Can you feel the love tonight
Angie Stone – No more rain
Angie Stone – I wanna thank ya
Patrick De Smet & Guests – The typewriter (Anderson)
Il Novecento – Adagio for strings (Barber)
Fine Fleur – „Agnus dei“ meets „Rolling in the deep“ (A capella)
John Miles – Music
Div4s – Con te partiro / Time to say goodbye
Mick Hucknall – Stars
Mick Hucknall – If you don´t know me by now
Seal – Papa was a rollin‘ stone / Killer
Seal – Amazing
Seal – Crazy
All Artists – Hey Jude