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Wie man sich eine Torte fängt

Erstellt von Daniel Mohr am Mittwoch 4. März 2009

Meine zweite Heimat war mal für 1,5 Jahre Oldenburg. Ich hab dort die Meisterschule besucht, und in dieser Zeit natürlich auch dort gewohnt. Von Natur aus interessiere ich mich für meine „Heimat“, für städtebauliche Entwicklung (Erdkunde als 3. Abifach 🙂 ), Verkehrswesen etc.

Vor ein paar Jahren kam es in Oldenburg zu einer auch von mir mit Interesse verfolgten Oberbürgermeister-Wahl.
SPD Kandidat Dietmar Schütz hatte sich gerade mit den ECE-Machern darauf geeinigt, ein entsprechendes Center (siehe City-Galerie Siegen, Löhr-Center Koblenz, Kölnarkarden) auf den äußerst attraktiven Schlossplatz in Oldenburg zu bauen. Oldenburg hat eine sehr schöne Fußgängerzonen, zum einen mit den Üblichen Geschäften, die überall sind, aber auch mit vielen individuellen Geschäften.
Aber ein Center passt dort nicht in die Optik und würde auch das gegenüberliegende Ende der Innenstadt ausbluten lassen (ich habe alle, die das damals bezweifelt haben, zu einer Führung durch die Kölner Str. in Siegen eingeladen, da kann man sehen, was mit einer Einkaufszone passiert, wenn man an ein Ende ein ECE-Center baut).
Der Kandidat der CDU Gerd Schwander (offiziell parteilos) ging einzig und allein mit dem Motto in die Wahl: „kein ECE-Center“.

Die Wahl kam, Diemar Schütz hatte eine klare Mehrheit, scheiterte aber (wenn ich mich recht erinnere sehr knapp) an der absoluten Mehrheit. Also Stichwahl: Schütz scheitert mit 49% gegen Schwander mit 51%.

5 Wochen später wurden die Verträge zum Bau des ECE-Center unterzeichnet.

Na, ist jemandem was aufgefallen?
Richtig, da hatte wohl jemand Bock, die öffentliche Meinung zur Machtergreifung zu nutzen und danach gilt dann „was interessiert mich mein Geschwätz von gestern“.

Die fandenscheinige Begründung dafür war, das zum einen hohe Vertragsstrafen im Vorfeld ausgehandelt worden wären (in diesem Fall wäre aber die entsprechenden Protagonisten Schadensersatzpflichtig meiner Meinung nach, also kein Grund), und das die IHK dem geplanten IKEA-Neubau nicht zustimmen wollte, wenn das ECE-Center nicht gebaut würde (aha, nicht der Rat regiert, sondern die IHK).

Also wurden die Planungen begonnen, der IKEA gebaut und Gerd Schwander hatte nicht mehr wirklich viele Freunde in Oldenburg. Insbesondere auch nicht im Rat. Eine Abwahl scheitert zwar an den dafür nötigen 75% Ratsmehrheit (und die CDU hat keine Probleme damit, 100% hinter einem offensichtlichem Lügner zu stehen, siehe auch z.B. Hessen), aber regieren ist auch schwer, wenn man keine Mehrheiten bekommt.
Vor wenigen Tagen gab es sogar den Tagesordnungspunkt „Amtsführung des Bürgermeisters“ auf der Ratssitzung, zu dem der amtierende Bürgermeister eine wirklich witzige Propaganda-Rede gehalten hat.

Weil das mit dem Regieren also schwer geworden ist, trieb Schwander sich wohl lieber in der Welt herum um neue Freunde zu finden. Besonders schön die Erkenntnisse der taz: „Zum Beispiel seine China-Initiative: Er wolle „Oldenburg auf die mentale Karte Chinas“ setzen, sagt er ständig, fliegt mit Delegationen mehrfach hin, ohne dass ihn der Rat geschickt hätte. Einziges in Erinnerung gebliebenes Resultat bislang: Vielleicht gibt es bald chinesische Masseure in einem Oldenburger Spaßbad. “
In dem genannten Artikel werden aber auch noch diverse andere Alleingänge aufgezeigt, Klungel, Intrigen, alles dabei.

Und eine autonome Gruppe mit dem Namen „die Überflüssigen“ hatte nun offenbar genug davon und schmiss Schwander kurzerhand eine Torte ins Gesicht.

Sicherlich nicht die feine Art, aber manche Menschen kapieren es anders wohl nicht. Wobe ich stark bezweifele, das er das verstanden hat.
In jeder anderen Stadt wäre wohl die Mehrheit der Bürger empört, wenn der Bürgermeister auf diese Art attakiert wird. Das sieht in Oldenburg wohl etwas anders aus. Auch wenn uns die offizielle Website etwas anderes vorgaukeln möchte.